Unter der Unternehmerhaftung für fehlerhafte oder pflichtwidrig unterlassene Kapitalmarktinformationen wird die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit von Angaben in Kapitalmarktinformationen verstanden. Nach der Gesetzesdefinition des § 1 Abs. 1 S. 3 KapMuG (Kapitalanlegermusterverfahrensgesetz) sind "öffentliche Kapitalmarktinformationen" solche Auskünfte, die für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmt sind; also Informationen über Tatsachen, Umstände, Kennzahlen und sonstige Unternehmensdaten, die einen Emittenten von Wertpapieren oder Anbieter von sonstigen Vermögensanlagen betreffen. Fehlerhafte oder unwahre oder pflichtwidrig unterlassene Kapitalmarkt- und Anlegerinformationen können nicht nur zivilrechtliche, sondern auch strafrechtliche Haftungsfolgen auslösen. Sie können zu zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen führen und strafrechtlich als Kapitalanlagebetrug gem. § 264 a Strafgesetzbuch betrachtet werden. Danach macht sich derjenige strafbar, der im Zusammenhang mit der Ausgabe von Kapitalanlage-Angeboten "unrichtige vorteilhafte Angaben macht oder nachteilige Tatsachen verschweigt".
Beteiligungsangebote von Unternehmen zum Erwerb von Wertpapieren oder Vermögensanlagen unterliegen der Haftungsverantwortung über die bekannte Prospekthaftungspflicht hinaus. Auch außerhalb von Prospekten veröffentlichte Kapitalmarktinformationen unterliegen der “Richtigkeitspflicht” und damit der Verantwortlichkeit des publizierenden Unternehmens. Es gibt also die bekannte Prospekthaftung und daneben die Haftung für falsche Finanzmarktinformationen, die aus anderen schriftlichen oder verbalen Quellen stammen. Als wichtigstes Gesetz wurde das Wertpapierhandelsgesetz ( WpHG ) bereits Mitte der neunziger Jahre erlassen. Aufgrund seines umfangreichen Regelungsgegenstandes wird das Wertpapierhandelsgesetz oft als das „Grundgesetz des deutschen Kapitalmarktes“ bezeichnet. Das wurde durch die Einbeziehung wesentlicher Finanzberichterstattungspflichten im Zuge des Transparenzrichtlinie-Umsetzungsgesetzes von 2007 als zutreffende Einordnung in das Kapitalmarktrecht bestätigt. Ungeachtet dessen ist das auf Ordnungsmäßigkeit und Glaubwürdigkeit des Kapitalmarktes gerichtete Regelwerk Ausgangspunkt für Detailvorschriften in anderen Gesetzen. So strahlt das Wertpapierhandelsgesetz auf das Börsenrecht sowie das Aktienrecht und Bilanzrecht aus; dies gilt in analoger Anwendung auch für nicht wertpapierverbriefte Anlageformen wie z.B. die Massen-Kommanditbeteiligungen. Hier werden die Zusammenhänge des wechselseitigen Systems von Informationspflichten der Emissionsunternehmen am geregelten und ungeregelten, freien deutschen Kapitalmarkt, sowie den in der Praxis wichtigsten Haftungsfragen kurz beschrieben. Haftungsgrundlagen sind u.a. die §§ 37 b, 37 c des Wertpapierhandelsgesetzes, die die Unterlassung zeitnaher ( unverzüglichen ) (Insider-)Informationen zivilrechtlich sanktionieren und der § 826 Bürgerliches Gesetzbuch mit dem Verbot der vorsätzliche, sittenwidrigen Schädigung. Hierzu gibt es bereits höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in seinen Urteilen zur Infomatec AG und zur EM-TV AG.
Ein wichtiger Punkt ist dabei die Pflicht zur sogen. Ad-hoc-Publizität sowie bei wesentlichen Prospekt-Änderungen die BaFin-Nachtragspflichten und aus Anlegersicht die damit korrespondierenden Haftungsansprüche für eventuell fehlerhafte Unternehmensinformationen am Kapitalmarkt.
Informationsschriften, die Fehlerquellen sein können sind vornehmlich die Börsenzulassungsprospekte, die Wertpapierprospekte und Verkaufsprospekte über Vermögensanlagen, die Zeichnungsunterlagen als Prospektteile. Hier gilt die Verantwortlichkeit im Rahmen der sogen. Prospekthaftung. Außerhalb dessen gibt es die Kapitalmarktinformations-Haftung z.B. für Ad-hoc-Meldungen und “Werbebotschaften”. Zusätzlich gibt es eine Reihe weiterer Unternehmensinformationen, die fehlerhaft sein und Haftungsfolgen auslösen können. Beispielhaft seien folgende Informationsquellen erwähnt, in denen außerhalb von Anlageprospekten Falschinformationen enthalten sein können:
- Geschäftsberichte mit den Bilanzen und Lageberichten
- Planungszahlen und Marktberichte
- Halbjahres- und Quartalsbilanzen mit Geschäftsaussichten
- Zwischenberichte über Geschäftsentwicklungen und Meldungen über
wesentliche Vertragsabschlüsse
- Angaben über Zinsversprechen, Renditen und Ausschüttungen
- Berichte und Auskünfte auf Gesellschafter- und Hauptversammlungen
- Auskünfte in Werbe- und Verkaufsfoldern
- Informationen auf Investoren- und Finanzdienstleistertreffen
- Aussagen auf Pressekonferenzen
- Verlautbarungen in den Online-Medien und Rundfunk- und Fernsehinterviews
Veröffentlicht ein Unternehmen eine der genannten Unternehmensinformationen für die Kapitalmarktöffentlichkeit, obwohl die verantwortliche Geschäftsleitung weiß, dass diese Meldung fehlerhaft ist, stellt sich aus Anlegersicht die Frage der Vorsätzlichkeit der Falschinformation. Nur wenn die Geschäftsleiter vorsätzlich Fehlinformationen verbreiten, sind sie gegenüber den Anlegern, die auf die Richtigkeit der Informationen vertrauen und ursächlich wegen dieser Angaben eine Beteiligung eingegangen sind, schadenersatzpflichtig. Bei den oben aufgeführten Kapitalmarktinformationen kann ein Anleger aber nur dann Schadenersatzansprüche durchsetzen, wenn ihm der Beweis gelingt, dass der verantwortliche Vorstand bzw. Geschäftsführer vorsätzlich gehandelt hat. Die Beweislast für fehlerhafte sonstige Kapitalmarktinformationen liegt also beim Anleger bzw. Investor.
Im Gegensatz zur Haftung für Börsenprospekte und den anderen in speziellen Gesetzen geschaffenen Haftungsgrundlagen, reicht auch ein grob fahrlässiges Verhalten des Emittenten-Geschäftsleiters dabei also nicht aus. Die grundlegende Haftungsvorschrift, die dem betroffenen Anleger in Fällen vorsätzlich fehlerhafter Unternehmensinformationen zur Seite steht, ist der gesetzliche Schadenersatzanspruch der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung gemäß § 826 BGB als Haftungsnorm. Der Kapitalmarktrechtler Dr. Horst Siegfried Werner ( http://www.finanzierung-ohne-bank.de/ ) hatte sich bereits 1991 in seinem Buch ( zusammen mit Dr. Jürgen Machunsky ) "Rechte und Ansprüche geschädigter Kapitalanleger", Luchterhand-Verlag, 366 Seiten, mit der Kapitalmarktinformations-Haftung ausführlich befasst. |